Es gibt ja ganz viele Frauen, die die Karenz dazu nutzen, um sich selbstständig zu machen und die Gegebenheiten an das Leben mit Kind anpassen. Bei mir war's genau umgekehrt: Ich war schon 5 Jahre selbstständig als unser kleiner Zwerg zur Welt gekommen ist. Das hat natürlich ganz viel geändert, weil plötzlich nicht mehr der ganze Tag verfügbar ist, sondern jetzt so ein kleiner Wurm den Tagesablauf (mit-)bestimmt.
Ich arbeite einfach unglaublich gerne an meinem Ding und habe darum versucht, dies relativ bald in mein neues Mama-Leben zu integrieren. Etwas Arbeit ist mein perfekter Ausgleich und macht mich zu einer erfüllteren, entspannteren Mama. Nach dem ersten Jahr als "Mompreneur" hab ich doch schon ein paar Tricks, wie ich trotz Baby ein bisschen was weiterbringe. Es wird sich zeigen, wie es sich in den nächsten Monaten und Jahren so entwickelt.
Hinweis vorweg: Ich habe ein sehr pflegeleichtes Kind und einen wunderbaren Partner, der mich in allen Belangen unterstützt, damit ich auch während meiner Karenz in kleinem Ausmaß meine Selbstständigkeit weiterentwickeln konnte. Das ist natürlich nicht selbstverständlich und sehr viel wert! Außerdem: Omas & Opas, die mir stundenweise auf den kleinen Mann schauen - auch das ist eine große Erleichterung.
Nichtsdestotrotz ist eine unglaublich gute Organisation und klare Prioritäten-Setzung im Alltag nötig, um Kind und Selbstständigkeit unter einen Hut zu bringen. Folgende Ansätze helfen mir dabei:
(1) Klare Zeiteinteilung
Die große Frage ist: Zu welchen Zeiten ist Arbeit überhaupt möglich und sinnvoll?
Ich weiß von ganz vielen selbstständigen Mamas, die den Abend nutzen, sobald die Kinder schlafen. Ist natürlich eine Möglichkeit - die Frage ist: Wie leistungsfähig bin ich noch nach einem ganzen Tag mit Kind, Haushalt, anderen Terminen etc.? Und was mache ich, wenn das Würmchen einfach nicht schlafen will? Oder gibt es vielleicht auch andere Optionen, wo ich arbeiten kann?
Wir haben selber herumprobiert, was für uns am besten funktioniert. Ich hab den Vorteil, dass mein Partner zwei Vormittage unter der Woche zuhause ist, weil er erst am späten Vormittag zu arbeiten beginnt - dementsprechend auch erst um 21 Uhr nachhause kommt. Das ist einerseits ein Vorteil, aber auch ein Nachteil, weil den Kleinen zu Bett bringen meine Aufgabe ist und meine "freien" Abende somit erst relativ spät beginnen. Aber wir haben es so gelöst, dass ich zwei Vormittage pro Woche nutzen konnte, um 2-4 Stunden konzentriert zu arbeiten. Papa geht mit dem Kleinen dann oft spazieren und sie übernehmen auch meistens die Einkäufe in der Zeit.
(2) Alte und neue Rollen
Eine wichtige Sache, die ich lernen musste: Das Thema der verschiedenen Rollen!
Plötzlich nicht mehr nur Unternehmerin und Partnerin, sondern auch Mama!
Ich war am Anfang verleitet, dass ich immer irgendwie versuchte, neben dem Kleinen zu arbeiten und den Haushalt zu schmeißen. Ganz am Anfang, wie er noch sehr viel geschlafen hat, hat das noch geklappt - relativ bald dann aber nicht mehr. Abgesehen davon mag ich nicht ständig neben meinem Kind auf Notebook oder Handy schauen - das hab ich mir von Anfang an geschworen. Untertags mit dem Kleinen zuhause bin ich also in der Rolle der Mama - wohl oder übel mit Wäsche, Kochen & Co nebenbei! Mama und Haushalt wird also oft verknüpft - übrigens auch Papa-Zeit mit Haushalt! Ich konzentriere mich also ganz bewusst auf diese Rolle und versuche, andere Aufgaben beiseite zu schieben.
Wenn ich aber dann meine vereinbarte Arbeitszeit habe, weil eben mein Partner was mit dem Zwerg macht oder Oma - dann ab ins Büro und Tür zu. Dann bin ich mal für 2 Stunden nicht mehr in der Mama-Rolle, sondern in der Unternehmerin-Rolle und volle Konzentration darauf, denn die Zeit ist begrenzt. Das bedeutet auch, zu lernen: Wenn der Kleine weint, nicht sofort aufzuspringen und ins Wohnzimmer zu laufen, sondern darauf zu vertrauen, dass das Papa / Oma auch lösen kann. Es wissen natürlich alle: Wenn wirklich etwas ist, bin ich sofort da - aber ein bisschen Quengeln ist kein Grund ;).
Was momentan ehrlich gesagt noch zu kurz kommt, sind die Rollen "Ich " und "Partnerin". Aktuell wechsle ich meist zwischen Mama und Unternehmerin hin und her. Ich versuche aber, am Abend, wenn mein Partner heimkommt, das Notebook wegzulegen (falls ich noch gearbeitet habe) oder mal bewusst ein paar Seiten zu lesen.
(3) Eine neue Art der To Do-Liste
Riesengroßer Lernprozess war für mich, mir Aufgaben anders einzuteilen.
Vorm Mama-Sein hatte ich ja den ganzen Tag zur Verfügung. Da habe ich oft nach dem "Gute-Laune-Prinzip" gearbeitet: Was steht gerade so an? Worauf habe ich gerade Lust? Was ist in nächster Zeit vielleicht wichtig?
Das geht jetzt natürlich nicht mehr. Mir ist es oft genug passiert: Der kleine Mann schläft, ich ganz motiviert: Juhu, jetzt kann ich die Zeit nutzen und kurz was arbeiten. Wenn ich dann aber erst anfange, zu überlegen: Mhmmm, schreib ich jetzt einen Blog-Artikel? Plane ich Instagram-Postings vor? Oder doch zuerst Mails beantworten? - war der Kleine wieder wach, bevor ich überhaupt sinnvoll begonnen habe. Das war eine Zeit lang extrem frustrierend. Ich hatte das Gefühl: Wah, ich kann nicht mal ein E-Mail schreiben!
Stimmt aber nicht - es ist nur eine Frage der Einteilung bzw. Planung.
Jetzt hab ich eine andere Art, meine To Do-Listen zu verwalten:
To Do-Liste mit kleinen Aufgaben z.B. schnelles Mail beantworten, Instagram-Posting schreiben, Grafik für Instagram bauen
Das sind Dinge, die brauchen nur wenige Minuten. Das heißt, wenn ich weiß, der Kleine schläft und ich habe jetzt vielleicht 10 Minuten, vielleicht auch 20 oder 30 Minuten - dann kann ich mich direkt ransetzen und loslegen. Dann schaff ich manchmal sogar mehrere Instagram-Postings oder mehrere Mails - weil ich nicht vorher schon 10 Minuten mit Überlegen verschwende 🙂. Ich hab aber nicht den Anspruch, während den Schlafenszeiten des Zwergs größere Dinge zu schaffen.
To Do-Liste mit größeren Aufgaben z.B. Blog-Artikel schreiben, Produkte vorbereiten, strategische Planung etc.
Für solche Aufgaben nutze ich bewusst meine "Arbeitszeiten". Auch dort überlege ich vorher ganz genau, auf welche Aufgaben ich mich im nächsten Zeitfenster konzentriere und versuche, direkt los zu starten und fokussiert zu bleiben.
Im Alltag ist es für mich außerdem total wichtig, berufliche und private To Do's strikt zu trennen. Erfahrungsgemäß springt man sonst ständig herum und ist dann erst recht nie zufrieden. Mit getrennten Listen kann ich mir je nach Zeitfenster bzw. je nach Rolle die jeweiligen To Do's vornehmen.
(4) Sprechen statt schreiben
Oft kommen mir beim Kochen, Spielen, Wäsche aufhängen & Co Ideen für Instagram-Postings oder Blog-Artikel. Eine Option wäre, in der ganzen Wohnung Blöcke herumliegen zu haben, um Notizen zu machen.
Eine spannende Alternative ist für mich, umfangreichere Gedanken via Audio-Aufzeichnung aufzunehmen. Also einfach am Handy auf Aufnahme drücken und losquatschen. Das Tolle daran: Es geht neben den Routine-Aufgaben wie Geschirrspüler oder Wäsche aufhängen - und das Kind hat gleichzeitig ein Unterhaltungsprogramm.
Dieser Artikel ist genau so entstanden - war als Testlauf gedacht und wollte mal ausprobieren, wie das neben dem Zwerg so klappt. Mein Kleiner war total begeistert - er hat ganz konzentriert zugehört, weil Mama die ganze Zeit redet und den größten Spaß dabei gehabt. Wenn ich die Audio-Aufnahme veröffentlichen würde, würde man ihn die ganze Zeit im Hintergrund lachen und quieken hören, weil ihm das so gefällt. Also doppelt gemoppelt: Kind ist glücklich und beschäftigt und ein Blog-Artikel ist vorbereitet und braucht nur mehr abgetippt und feingeschliffen werden.
Wenn man das Gesprochene abtippt, wird der Text oft auch netter und persönlicher, weil es weniger steif klingt als geschrieben. Dafür sind vielleicht nicht alle Sätze grammatikalisch perfekt - aber:
"Done is better than perfect" - besonders als Mama ;).
(5) Familien-Planungs-Termine
Ich bin zwar sehr spontan, aber trotzdem auch ein Planungsfreak. Darum setzen wir uns am Wochenende zusammen und schauen, was die kommende Woche so ansteht. Verändert sich bei den Arbeitszeiten meines Partners etwas, muss er irgendwann früher beginnen oder kann vielleicht auch früher aufhören. Welche Termine hab ich vereinbart, wo der Kleine betreut werden muss. Wir nutzen dafür seit kurzem auch einen gemeinsamen Google Calendar, um den Überblick zu behalten. Das funktioniert grundsätzlich recht gut. Man sieht auch sofort, falls sich Termine mal überschneiden sollten, um dann Omas & Opas zu kontaktieren für den kleinen Mann.
(6) Gemeinsame Reflexion
Eine Sache, die ich sowieso im Alltag für mich selber mache, aber jetzt noch intensiver bzw. auch mit meinem Partner gemeinsam ist: Reflektieren! Ich liebe es, zu reflektieren und mache das regelmäßig: Was läuft gut? Was läuft weniger gut? Was habe ich ausprobiert und ist hilfreich? Was macht keinen Sinn? Wo gibt's Situationen, die nicht so gut laufen?
Für mich gehört das zu einem erfüllten Selbstständig-Sein unbedingt dazu. Als frischgebackene Eltern sind viele Dinge noch neu und darum hilft uns das auch, gemeinsam zu reflektieren. Wie bekommen wir Eltern sein, Job, Selbstständigkeit, Partnerschaft und aktuell auch noch Hausplanung & -bau unter einen Hut?
Ein Beispiel: Eine Zeit lang habe ich sehr spontan gearbeitet. In der Früh die Frage: "Willst du heute was arbeiten?" Ich dann so: "Ja, ähm, mhm .. kommt drauf an, ob es sich ausgeht - oder ist etwas anderes zu tun?" Bis ich dann wirklich bei der Arbeit war, ist immer viel Zeit vergangen. Darum haben wir beschlossen, einen Vormittag fix als meine Arbeitszeit zu definieren und einen zweiten - je nachdem, was in der Woche ansteht - noch als Puffer zu haben. Solche Dinge müssen einfach mal vereinbart werden - und dann wieder ausprobiert und bei Bedarf angepasst.
Theoretisch hätte ich auch ca. 1x / Woche Zeit, während der Oma-/Oma-Zeit zu arbeiten. Andererseits ist mein Elternhaus aber für mich auch ein Ort der Entspannung und der Auszeit, wo ich tiefsinnige, inspirierende Gespräche mit meiner Mama führe, spazieren gehe, einfach die Zeit mit der Familie genieße. Das heißt, da bin ich aktuell noch ziemlich hin und her gerissen, ob ich den Tag für Arbeit nutze oder auch bewusst Familienzeit genieße. Das wird aber sicher besser, wenn wir dann im Haus wohnen - da sind Oma & Opa dann in greifbarerer Nähe und da werden wir neu schauen, wie wir das lösen.
Fazit: Reden, ausprobieren, anpassen
Eine sinnvolle Zeiteinteilung als selbstständige Mama zu finden ist definitiv ein Prozess - und wird es vermutlich die nächsten Jahre bleiben. Gerade mit (kleinem) Kind verändert sich gefühlt jede Woche etwas und Routinen, die ein paar Tage funktioniert haben, klappen plötzlich nicht mehr.
Die zentralen Fragen, die ich mir regelmäßig stelle - weil sich die Gegebenheiten immer wieder verändern:
In welchen Zeitfenstern kann ich (halbwegs ungestört) arbeiten?
In welcher Rolle erledige ich welche Aufgaben?
Welche kleinen To Do's schaffe ich während den Schläfchen meines Kleinen? Für welche Aufgaben brauche ich mehr Ruhe und Zeit?
Wie kann ich meine Projekte organisieren, damit ich direkt losstarten kann?
Wie können sich mein Partner und ich gegenseitig unterstützen?
Was brauche ich konkret, um Zeit für "mein Ding" zu haben?
Was läuft aktuell weniger gut - und wie könnten wir das ändern?
Was könnte ich ggf. mal ausprobieren?
Wenn du einfach nur Mama sein willst und in den ersten Monaten oder Jahren an nichts anderes denken magst, ist das absolut ok! Falls du aber das Gefühl hast, etwas für dich und deine Weiterentwicklung tun zu wollen - dann teste aus, wie du das mit deinem Partner oder anderen Menschen lösen kannst. Es gibt immer Möglichkeiten und Wege :)!
Ich wünsch dir ganz viel Erfolg dabei - und freu mich jederzeit über neue Tipps und Tricks von anderen (vielleicht schon erfahreneren) selbstständigen Mamas!
Liebe Grüße,
Julia
PS. Den Feinschliff von diesem Artikel hab ich übrigens in einem Coworking-Space gemacht. Mittlerweile hat die Papa-Karenz begonnen und ich habe wieder 2-3 volle Tage für meine Selbstständigkeit :).
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