Ich war immer der Meinung, dass ich
der absolute Karrieremensch bin.
in einem namhaften Unternehmen arbeiten möchte.
viel Verantwortung haben will – und mich mit ganz vielen wichtigen Menschen über ganz viele wichtige Themen unterhalten möchte .
nachdem ich ja ein Faible für Sprachen habe – so eine Art erfolgreiche Geschäftsfrau werden will, die alle paar Tage mit ihrem Köfferchen an einem anderen Ort steht und beruflich die ganze Welt bereist.
Ich war wirklich felsenfest davon überzeugt, dass genau so etwas das Richtige für mich ist.
Und dann kam der Tag, an dem ich mit genau solch einem Job begann.
Ein international tätiges Unternehmen, wo plötzlich so eine mega-erfolgreich klingende Position wie Corporate Marketing Manager unter meinem Namen stand. E-Mails aus der ganzen Welt trudelten ein – von wichtigen Menschen des Unternehmens, die alle mit mir wichtige Themen besprechen wollten. Kaum meinen Schreibtisch bezogen, wurden schon Geschäftsreisen geplant – nach Frankreich zu einem Standort, nach Indien zu einem Geschäftspartner oder doch nach Ecuador zu einer Messe.
Alles, was ich mir immer gewünscht hatte, schien plötzlich Wirklichkeit zu werden – und ich kam am Abend nach Hause – und hätte am liebsten geheult.
Ich konnte es mir nicht wirklich erklären – aber ich musste mir eingestehen, dass mich der ach-so-erfolgreiche Job-Titel auf meiner Visitenkarte nicht glücklich macht – und ich mein Leben nicht in Flughäfen, Firmengebäuden und Messehallen verbringen will! Nach Indien, ohne Land und Leute zu erkunden und nach Ecuador, ohne Strände und Kultur zu sehen? Ohne mich!
Willst du das, weil du es willst – oder weil es sich gut anhört?
Warum ich euch diese Geschichte so genau erzähle? Weil jeder von uns so eine Vorstellung hat, die sich irgendwie extrem gut anhört – meistens hat das irgendwas mit Erfolg, Macht, Reichtum und Status zu tun. Die große Frage ist aber: Ist das wirklich, wirklich, wirklich das, was ich mir für mein Leben vorstelle? Oder hört es sich nur am Papier wahnsinnig gut an?
Stellt euch mal kurz einen richtig erfolgreichen Mann vor? Was habt ihr jetzt vor Augen?
Einen Anzug? Eine Rolex am Handgelenk? Eine hübsche Blondine im Arm? Ein fettes Auto? Eine pompöse Villa, die alle Stücke spielt? Und dank einer Menge Stress und Arbeit überhaupt keine Zeit, all dies überhaupt nutzen zu können… Wollen wir so leben?
In Wirklichkeit geht’s meistens gar nicht um diesen ach-so-angestrebten Erfolg, oder?
Es geht eher darum, etwas zu finden, was man gerne macht. Es geht darum, von seiner Arbeit halbwegs gut leben zu können – denn klar, ohne Geld geht’s halt einfach auch nicht. Und meistens geht’s darum, ein Fünkchen (oder besser einen fetten Haufen) Anerkennung zu bekommen. Erfolg ist für jeden etwas anderes – also Definitionssache.
Erfolg kann doch auch sein, sich am Freitag schon wieder auf Montag zu freuen. Das Gefühl zu haben, etwas zu bewirken. Noch genügend Zeit für Freunde, Familie und Hobbies zu haben. Und sich ab und an etwas Besonderes leisten zu können, das man dann wirklich in Ehren hält.
Und nur, um das klarzustellen: Wenn jemand von euch richtig Bock drauf hat, Karriere zu machen, richtig viel Kohle zu verdienen und dafür 60 Stunden und mehr zu arbeiten, dann ist das auch absolut in Ordnung. Nur weil’s für mich nicht das Richtige war, kann es ja trotzdem für jemanden von euch perfekt passen!
Wie erkennst du, ob es das Richtige ist – oder nur ein Pseudo-Traumjob?
Diese Unterscheidung für sich herauszufinden, ist – ich geb’s ehrlich zu – gar nicht so einfach. Wir werden täglich von allen Seiten mit Bildern und Wertvorstellungen bombardiert – und da sollen wir noch wissen, was wir selbst eigentlich wollen?
Der absolute Master-Plan, wie dieses Dilemma gelöst werden kann, wurde leider auch noch nicht entwickelt. Aber ein paar Tipps möchte ich euch trotzdem mit auf den Weg geben:
Hör mal in dich rein, was DU gerne machen würdest. Hör aber ganz genau hin – denn meistens sind es die lauten Stimmen, die die Meinung anderer Menschen abbilden und die ganz leise, ziemlich zaghafte diejenige, die wirklich von dir kommt :).
Stell dir ganz genau vor, wie ein Tag in diesem Unternehmen / diesem Job wäre. Beginne damit, wie du das Gebäude betrittst bis hin zu dem Moment, wo du nachhause kommst. Was machst du der Reihe nach? Wie fühlst du dich am Abend? Freust du dich schon wieder auf den nächsten Tag?
Mach den Job doch mal auf Probe. Entweder durch einen Probe-Arbeitstag oder auch im Rahmen eines Praktikums.
Sprich mit Leuten, die den gewünschten Job machen. Frag sie, wie der Tagesablauf ist und was ihnen gut gefällt. Frag sie aber auch unbedingt, was weniger gut ist – auch diese Info brauchst du für deine Entscheidung.
Was machst du, wenn’s aber trotzdem schief geht und du feststellen musst, dass der Job so gar nicht deinen Vorstellungen entspricht?
Naja, dann ist es eben so. Und damit meine ich nicht, dass du jetzt Pech gehabt hast, das durchstehen musst oder einfach mal abwarten musst, bis es vielleicht irgendwann in 2/5/10 Jahren besser wird (auch wenn dir das vielleicht andere Leute erklären). Nein, nein und nochmal nein.
Ich hab’s selbst am eigenen Leibe erlebt, wie es sich anfühlt, wenn die Wunsch-Vorstellung plötzlich in sich zusammenklappt und auf einmal so gar nicht zu einem passt. Und was das für ein extrem belastendes Gefühl sein kann. Und wenn einem bei der Vorstellung, dass man Tag für Tag wieder dort hin fahren soll, fast schlecht wird.
Wenn es gar nicht passt, dann hat man es zumindestens versucht!
Ich habe damals die einzig sinnvolle Entscheidung getroffen und gleich wieder aufgehört. Meinen Chefs zuliebe, dass sie nicht Zeit und Geld in mich investieren und ich nichts zurückgeben kann. Meinem Partner zuliebe, dem ich diesen Trauerkloss, der ich in dieser Zeit war, nicht zumuten wollte. Und vor allem MIR ZULIEBE!!
Ich hatte richtig Bammel davor, diese Hiobsbotschaft in der neuen Firma bekanntzugeben. Aber wisst ihr was: Mein Chef hat sich sogar für meine Ehrlichkeit bedankt – und für mich war es der bisher befreiendste Tag meines Lebens!
Vorbei mit dem vermeintlichen Traumjob…und was kommt dann?
Nach meinem kurzen Ausflug in die Welt der Karriere, war mir also klar: Das will ich definitiv nicht! Aber was will ich dann?
Und so habe ich mich stunden- und wochenlang damit beschäftigt, meine wirklichen Wünsche, meine wirklichen Interessen und meine wirklichen Träume aus mir herauszukitzeln. Wie? Indem ich mir immer und immer wieder diese Fragen gestellt habe. Und unglaublicherweise ist diese Phase meines Lebens gerade mal ein Jahr her – als kleiner Anreiz, dass sich Träume oft schneller verwirklichen lassen, als man glaubt ;)!
Führe ich jetzt ein erfolgreiches Leben? Das kommt drauf an, wie man’s sieht. Auf jeden Fall möchte ich jetzt gerade, wo ich am schönsten Nachmittag diesen Artikel auf der Terrasse im strahlenden Sonnenschein schreibe, mit keiner Frau auf der Welt tauschen, die am klimatisierten Flughafen auf ihren Rückflug vom Geschäftstermin wartet – auch wenn Sie dabei von ihrer Louis-Vuitton-Tasche begleitet wird.
Lass doch gerne einen Kommentar da und verrat mir: Hattest du auch schon mal einen Pseudo-Traumjob, der dann so gar nicht zu dir gepasst hat? Und wie definierst du Erfolg?
lg, Julia, die sowieso nicht versteht, wieso erfolgreiche Frauen unbedingt eine Louis-Vuitton-Tasche brauchen – die ist doch nicht mal schön, oder ;)?
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